„Mit welcher Brille wir schauen: Ist Journalismus nur eine Frage von Ansicht, Haltung und Perspektive?“
Regional-Journalismus
Es gibt viele Sachbücher für JournalistInnen, wie sie ihr Handwerk erlernen können (Interview, Bericht, Schlagzeile, Moderation etc.) und deshalb soll diese Web-Seite Aspekte des Regional-Journalismus beleuchten, die m.E. dort kaum oder gar nicht erwähnt werden. Meine Tipps richten sich an JournalistInnen, die noch nicht lange diesen Beruf ausüben. Aber auch erfahrene JournalistInnen werden womöglich den einen oder anderen nützlichen Rat finden.
Regional-Journalismus ist ein harter, vielfältiger und stressiger Job. Hart, weil sehr viele Leute Ihre Informationen überprüfen können. Sie müssen also präzise sein. Stressig, weil sie meistens nur 1 Tag Zeit haben für den Bericht und in kurzer Zeit möglichst viel Informationen zusammenraffen und verarbeiten müssen. Im Gegensatz zu vielen anderen Berufen kenne Sie im Tages-Journalismus meist erst an der Morgensitzung, welches Thema Sie zu behandeln haben. Und das Thema kann im Laufe des Tages immer noch durch aktuelle Ereignisse verändert werden. Seien Sie also immer auf Überraschungen gefasst! Zudem sind die Arbeitszeiten häufig unregelmässiger als bei anderen Redaktionen. Vielfältig ist der Beruf, weil sie sich in mehreren Themen auskennen müssen, in Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport etc.
Eigenschaften
Welche Eigenschaften benötigen JournalistInnen?
Bleiben Sie neugierig! Besonders, wenn Sie schon länger als Journalist arbeiten, sollten Sie Ihre Wissenslust kultivieren. Sie sollten viel erfahren, lesen, hören und sehen WOLLEN und nicht müssen. Sonst sind Sie wahrscheinlich im falschen Beruf. Sie werden merken: Je mehr Sie wissen, desto einfacher wird es sein, neues Wissen aufzunehmen und einzuordnen.
Seien Sie hartnäckig! Wenn Sie eine Story interessiert, bleiben Sie dran. Ohne Hartnäckigkeit, werden Sie die Stories allenfalls zur Hälfte recherchieren und sich mit wenig zufrieden geben. Und ebenso mittelmässig wie Ihr Einsatz sehen Ihre Berichte dann auch aus.
Vorbilder
Suchen Sie sich Vorbilder. Es gibt immer Journalisten, die besser schreiben, sprechen, filmen als Sie. Versuchen Sie herauszufinden, was Ihnen an jenen Leuten gefällt und scheuen Sie sich nicht, diese erst einmal zu kopieren. Den eigenen Stil werden Sie auf Ihrem berufsweg sowieso selber entwickeln.
Keine vierte Gewalt sondern informelle GPK
Im Regional-Journalismus müssen Sie einerseits Kontakte pflegen und zugleich ihre Unabhängigkeit behaupten. Damit Sie in diesem Dilemma zwischen Nähe und Distanz eine professionelle Haltung finden, ist es wichtig, dass Sie sich Ihrer Rolle klar sind. Und dies drängt sich besonders beim Regional-Journalismus auf, wenn Sie schon länger in derselben Region arbeiten und inzwischen viele Leute gut kennen. Stehen Sie einer Person nahe, sollten Sie immer in den Ausstand treten. Wie auch immer Sie den Bericht gestalten werden, es bleibt ein Anschein von Hofberichterstattung, Einseitigkeit und Voreingenommenheit. Und sollten Sie Ihren Job wirklich gut machen und harte, kritische Fragen stellen, dann war dies wohl die letzte freundschaftliche Begegnung mit Ihren Bekannten und FreundInnen. Vergessen Sie nicht, dass Sie bei nahen Bekannten möglicherweise über Vorinformationen verfügen, die Sie nur dank des freundschaftlichen Verhältnisses und nicht im professionellen Kontext erhalten haben. Diese Informationen sollten Sie nicht (miss-)brauchen!
Medien werden gerne als vierte Gewalt bezeichnet. Ich halte dies für übertrieben. Meiner Ansicht nach sind Medien am ehesten vergleichbar in der Politik mit einer Geschäftsprüfungs-Kommission eines Parlaments. Im Unterschied zu einer GPK sind Medien aber unsystematisch und verfolgen Informationen, die Ihnen zufällig zugesteckt werden. Deshalb halte ich Medien für eine informelle GPK, die überprüft, ob die Demokratie funktioniert. Die InformantInnen wiederum verfolgen eigene Interessen. Das Motiv, weshalb sie Ihnen die Informationen zustecken, braucht Sie nicht zu kümmern. Sie werden es auch nur selten in Erfahrung bringen. Als Journalist müssen Sie lediglich abklären, ob das Thema den gängigen Nachrichten-Kriterien entspricht: Relevanz, Interessanz oder Amüsanz.
Relevanz = es betrifft viele Leute oder ist sehr einschneidend für wenige.
Interessanz = es ist wissenswert oder bereichert das Wissensspektrum.
Amüsanz (meine eigen Wortschöpfung) = es ist witzig zu erzählen, unterhaltsam, abweichend von der Norm
Der Anfang einer guten Story ist immer ein Konflikt. Ohne Konflikt gibt es keine interessante Story zu erzählen. Dies ist auch der Grund, weshalb Medien vorgeworfen wird, sie würden nur über Negatives berichten. Aber ehrlich gesagt, was interessiert die Menschen mehr: Die gute Schulnote des begabten Kindes (kein Konflikt) oder die ungewollte Schwangerschaft der Tochter aus gutem Haus?
Werbung
„Würden wir dieses Thema aufgreifen, würden wir ja Werbung machen.“ Ein Argument, das ich häufig von KollegInnen höre, die ein bestimmtes Thema ablehnen. Doch streng genommen ist Werbung unvermeidlich. Jedes Thema ist immer auch Werbung für oder gegen Etwas. Der Bericht über Politiker XY ist Werbung für ihn, selbst wenn der Politiker darin kritisch darin dargestellt wird. Die einzige Überlegung kann jeweils nur sein: Ist das Thema berichtenswert – nach den Kriterien: Relevanz, Interessanz oder Amüsanz.
Solange Sie sich für ein Thema nicht bezahlen lassen oder sonstige Gegenleistungen dafür erhalten, ist solche Werbung auch ganz in Ordnung. Auch sollten Sie nicht Ihre Bekannten mit Freundschaftsdiensten begünstigen, oder den Bericht für Ihre politische Haltung missbrauchen. Das alles wäre tatsächlich Werbung, die Sie als Journalist unglaubwürdig macht und letztlich das Medium schädigt, für das Sie arbeiten .
Die Themensetzung ist der grösste politische Einfluss, den eine Redaktion hat. Wo legt sie die Schwerpunkte? Welche Themen greift sie auf, welche nicht? Das Herstellen von Berichten dagegen ist journalistisches Handwerk, das politisch nicht gefärbt sein sollte – ausser vielleicht bei der Meinungspresse.
Berichten Sie nur über Dinge, die Sie auch wirklich verstanden haben. Diesen Rat habe ich vom früheren Ausbildungsleiter des MAZ, Manuel Isler, bekommen, und sein Rat hat sich bei mir bewährt. Falls Sie bei einem Thema unsicher sind, berichten Sie nur über was Sie wirklich begriffen haben, und sonst sollen Sie mit der Redaktionsleitung eingestehen, dass Sie ausserstande seien über dieses komplexe Thema zum jetzigen Zeitpunkt kompetent zu berichten. Gute Chefs werden Ihnen dieses Eingeständnis hoch anrechnen.
Geben Sie Ihr Bestes! Auch wenn Sie für ein kleines oder unbedeutendes Medium arbeiten, geben Sie immer die beste Arbeit ab, die Sie unter den gegebenen Umständen leisten können.
Bleiben Sie fair!
Zeit ist Qualität
Zwar ist es allen bekannt, dass für gute Qualität genügend Zeit eingeräumt werden muss. Dennoch, oft wollen Verleger und Verantwortliche diese Tatsache nicht berücksichtigen. Aber mit zu wenig Zeit steigt die Fehler-Quote und sinkt die Verständlichkeit. Journalisten verlassen sich unter Zeitdruck bei ihrer Story auf eine einzige Quelle, weil sie das Telefon zum Absichern bei einer zweiten, unabhängigen Quelle aus Zeitgründen nicht tätigen können. Es fehlt die Zeit, auch untergeordnete Fakten nachzuprüfen. Es fehlt die Zeit, den Text auf Richtigkeit und Verständlichkeit zu überarbeiten. Es fehlt die Zeit, den Text packend und kundenfreundlich zu gestalten. Resultat: Die Glaubwürdigkeit des Mediums sinkt, der Inhalt wird banaler und langweiliger.
Fehler
Stehen Sie zu Ihren Fehlern! Geben Sie Ihre Fehler zu und übernehmen Sie die Verantwortung dafür. Das soll kein Freipass für schlampige Arbeit sein, sondern eine prinzipielle Arbeitseinstellung.
Fehler passieren, auch wenn Sie sie nicht wollen. Die einzige Art, keine Fehler zu machen ist, mit einer Arbeit gar nicht erst zu beginnen. Da dies jedoch nicht möglich ist, müssen Sie lernen, mit Fehlern umzugehen. Schuldgefühle helfen da wenig.
Mein Rat: Schauen sie, wie Sie einen Fehler möglichst schnell wieder gutmachen können. Entschuldigen Sie sich bei betroffenen Personen. Schreiben Sie einen korrigierenden Artikel. Lassen Sie Gegendarstellungen zu.
Leider herrscht auf vielen Redaktionen (und nicht nur im Journalismus sondern auch sonst in der Arbeitswelt) eine seltsame Fehler-Kultur, die ich als schädlich ansehe: Fehler werden (öffentlich) angeprangert oder sonst sanktioniert. Es wird auf die Person gespielt, es werden Schuldige gesucht und Schuld zugewiesen. Dadurch entsteht ein Klima der Angst, das schliesslich jede Kreativität einschränkt, wenn Sie in Ihrer Arbeit vor allem darauf achten müssen, Fehler zu vermeiden. Mittelmass wird das Resultat sein. Hinter solcher Fehler-Kultur steckt oft die irrige Annahme, dass sich Journalisten unter Strafandrohungen perfektionieren lassen, bis sie keine Fehler mehr machen. Ein Unterfangen, das im vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Stattdessen lehne ich mich an der Handlungsanleitung der internationalen Flugsicherheits-Behörde an: Gerade weil Fehler allzu menschlich und unvermeidlich sind, sollte das Arbeitsprozesse so ausgestaltet werden, dass Fehler nicht zu einer Katastrophe führen können.
Deshalb lautet die Empfehlung: Gehen Sie jedem Fehler genauestens nach! Bei Team-Arbeit sprechen Sie mit allen Beteiligten in der Produktionskette, bis Sie wissen, weshalb der Fehler passiert ist. Schauen Sie dabei weniger auf die Personen (und ihre vermeintlichen charakterlichen Schwächen) als auf das System und die Prozesse, die zum Fehler geführt haben. Treffen Sie Massnahmen im System, damit sich Fehler nicht mehr wiederholen (zum Beispiel eine weitere Person einsetzen, die das Skript gegenliest, andere Abgabe-Termine festlegen etc.). Passiert derselbe Fehler ein zweites und gar ein drittes Mal, müssen Sie Ihre Massnahmen erneut ändern oder eben damit leben, dass sich derselbe Fehler wiederholt.
Jedem Menschen passieren ganz typische Fehler. Die einen haben Schwierigkeiten mit dem Zeit-Management, andere sind schlampig bei Fakten, Namen oder Zahlen oder können mit Fremdwörtern nicht umgehen. Hier können nur Sie Abhilfe verschaffen, wenn Sie Ihre typischen Fehler erkennen und Massnahmen treffen, dass es unwahrscheinlicher wird, dass sie Ihnen passieren. Lernen Sie aus Ihren Fehlern!
Umgang mit KollegInnen
Ob im Journalismus mehr getratscht wird als in anderen Branchen bezweifle ich. Aber der generelle Arbeits-Stress holt nicht das Beste sondern häufig das Schlechteste aus den Personen hervor. Deshalb sind ein vertrauensvolles Arbeits-Klima und gute Wege, Konflikte zu lösen, ganz wesentlich. Folgende Tipps helfen, den emotionalen Stress zu begrenzen:
Reden Sie nicht abfällig über KollegInnen. Kritisieren Sie nicht Dritte in deren Abwesenheit. Damit verschlechtern Sie lediglich das Arbeits-Klima. Wenn Sie schon ihrem Ärger Luft verschaffen müssen, tun Sie es bei Leuten, die keine Beziehung zu Ihren Arbeits-KollegInnen haben.
Sprechen Sie das Verhalten von KollegInnen, das Ihnen nicht gefällt, im persönlichen Gespräch unter vier Augen an. Trennen Sie dabei die Person von deren Verhalten, und kritisieren Sie lediglich das Verhalten, und was es bei Ihnen auslöst. Eine Aussprache sollten Sie erst tun, nachdem Wut und Ärger abgeklungen sind, sonst laufen Sie Gefahr, den Konflikt zu schüren statt zu lösen. Schalten Sie die Vorgesetzten erst dann ein, wenn Sie nach der Aussprache nicht zu einer gemeinsamen Lösung gekommen sind. Keinesfalls sollten Sie unbeteiligte KollegInnen in den Konflikt einbeziehen, um jene auf Ihre Seite zu ziehen. Wenn Sie das häufig tun, sind Sie auf dem sicheren Weg zum Mobbing. Und Mobbing ist strafbar.
Schreiben Sie nie Emotionales in Emails oder per sms. Studien zeigen, dass emotionale Dinge in Emails meist missverstanden werden und Konflikte verschärfen.
Holen Sie in regelmässigen Abständen Feedback bei Ihren KollegInnen ein, und geben Sie jenen damit die Möglichkeit, Kritik an der Zusammenarbeit mit Ihnen äussern.
Vorbildlich sind Arbeitgeber, die bei Arbeits-Konflikten Hilfe anbieten oder sogar professionelle Mediatoren einbeziehen.
Von „Mobbing“ wird leider viel zu schnell gesprochen. Eine einzelne Person kann NIE mobben; sie kann lediglich andere dazu anstiften. Auch ein unangenehmer oder schikanöser Chef/Chefin kann alleine nicht mobben. Mobbing ist ein Gruppenphänomen, das aus einer schlechten Team-Dynamik hervorgeht. Es beraucht also mindestens drei Personen, die sich gegen einen Mitarbeiter oder gegen eine Mitarbeiterin verschwören, respektive gemeinsam die Meinung vertreten, dass immer dieselbe Person Schuld sei, wenn Fehler passieren, Abläufe nicht funktionieren, Ziele nicht erreicht werden etc. Und diese Ausgrenzung muss sich über mehrere Monate hinweg fortsetzen. Erst dann spricht die Fachliteratur von Mobbing.
Die schlechte Nachricht: Gemobbt werden kann jeder und jede (auch ein Chef/Chefin kann gemobbt werden). Die gute Nachricht: Jedes Team-Mitglied kann Mobbing verhindern, indem es sich klar distanziert, wenn über Abwesende abfällig gesprochen wird. Sind Sie in einer leitenden Funktion, sind Sie sogar gesetzlich verpflichtet, solch respektloses Verhalten zu unterbinden. Aber auch als normales Team-Mitglied kann man Mobbing verhindern, indem man offen das Prinzip erklärt, dass über abwesende Team-Mitglieder nicht gesprochen wird (siehe oben).
Vielfach beginnt Mobbing harmlos: Die Gemeinheiten sind häufig als Witz oder Scherz getarnt. Wenn Sie es nicht schaffen, das bösen Treiben aktiv zu stoppen, gibt es weitere Möglichkeiten, Mobbing entgegenzuwirken: Bleiben Sie stumm, wenn gelästert wird; lachen Sie keinesfalls mit (das wird als Zustimmung gewertet); oder verlassen Sie den Raum.
Umgang mit Kritik
Alle Redaktionen machen täglich eine Manöverkritik. Solche Redaktionssitzungen wären eigentlich eine schöne Einrichtung, wenn im Schnelllebigen Geschäft rückblickend das Gesamtprodukt des Vortages gewürdigt würde; wenn also unter Kollegen sowohl Positives wie Negatives vermerkt würde, um das Produkt noch besser zu machen und aus Fehlern zu lernen. Nur leider sieht die Realität häufig anders aus.
Die Redaktionssitzungen sind oft ein Ort, wo Hahnenkämpfe, Rivalitäten und persönliche Animositäten ausgetragen werden. Hinter vermeintlicher Sachkritik verbergen sich meist Rangeleien um Status und Ansehen innerhalb der Redaktion. Dabei erlangen trickreiche Taktierer, narzisstische Angeber und schamlose Wortführer mit der Zeit häufig ein journalistisches Prestige, das ihnen gar nicht zukommt, und ausserhalb der Redaktion auch gar nicht so wahrgenommen wird. Deshalb ist es empfehlenswert, regelmässig aussenstehende, unabhängige Fachleute einzuladen, die der Reaktion Feedback geben, und so die intern erkämpfte Hierarchie immer wieder relativieren.
Nach meiner Erfahrung treten wirklich gute Journalisten häufig eher leise und bescheiden auf, weil sie ihre Kraft in die Arbeit stecken und weniger Energie für die Eigen-Werbung aufwenden. Der Umkehrschluss allerdings gilt nicht: Nicht alle leisen und bescheidenen Journalisten sind auch gute. Mein Rat: Hören Sie weniger auf Wortführer, und finden Sie die qualitativ guten Kollegen heraus. Vertrauen Sie nicht zu sehr darauf, dass andere die Qualität Ihrer Arbeit erkennen sondern geben Sie durchaus selbstbewusst zu verstehen, dass sie um den Wert Ihrer Arbeit wissen.
Kritik hört kein Mensch gerne. Dabei ist es etwas so wertvolles. Gute Kritik erkennen Sie daran, dass sie wie ein Geschenk ist. Gute Kritik kann zwar auch verletzen, greift Sie aber nie als Person an. Gute Kritik bringt Sie weiter und hilft ihnen auf Ihrem journalistischen Weg. Schlechte Kritiker sind vor allem darauf aus, Sie kleinzumachen, Ihre Fachkompetenz und Glaubwürdigkeit anzuzweifeln, um sich selber zu erhöhen. Den Unterschied zwischen guter und schlechter Kritik erkennen ist nicht immer einfach.
Intriganten werden jeden Fehler, den Sie machen, in der Redaktion und bei Ihren Chefs verbreiten, um damit indirekt zu verstehen zu geben: „So etwas würde mir ja nie passieren.“ Ich habe schon Intriganten erlebt, denen gelingt es, noch die besten Eigenschaften in ihr Gegenteil zu verkehren. Beispiel: Jemand liest sich gründlich ins Thema ein, was ja löblich ist, aber der Intrigant deutet es um zu: „Der muss sich immer erst stundenlang einarbeiten, bevor er an eine Medien-Konferenz geht. Dann ist er doch voreingenommen und kann nicht spontan sein“. Oder jemand ist sehr effizient bei der Arbeit, heisst es dann: „Der macht alles lieblos und will die Arbeit ja nur schnell hinter sich bringen, um seinen Hobbys nachzugehen“. Oder jemand achtet auf korrektes Deutsch: „Der ist immer so pingelig in der Ausdrucksweise.“ Kreative werden so zu „Selbstverwirklicher“ herabgewürdigt, selbstständig arbeitende Journalisten zu „Selbstläufer“ und gutes Fachwissen zu „Besserwisserei“. Da können Sie allenfalls richtigstellen: „Du nennst es so, ich nenne es….“
Der beste Rat: Schauen Sie jede Kritik genau an, was Sie daraus lernen wollen. Und: Sie können selbst von Ihren schlechten Kritikern lernen. Nur müssen Sie dabei die eigentliche Kritik (Inhalt) von der fiesen Attacke (Form) trennen. Das kann anstrengend sein. Daraus erwächst Ihnen jedoch auch ein Vorteil: Die Ihnen übelgesinnten Personen machen Sie auf Dinge aufmerksam, die Ihnen freundlich gesinnte KollegInnen nie sagen würden. Seien Sie also froh, wenn es ein paar scharfzüngige KollegInnen gibt, die Ihnen einen Spiegel vorhalten – auch wenn der böse verzerrt ist.
Journalismus ist keine exakte Wissenschaft. Zwar gibt es unbestreitbare Fehler wie falsche Namen, Zahlen, Sachverhalte, oder Zuwiderhandlungen gegen Berufsstandesregeln, aber vieles bleibt undefinierbar. Fast jeder Bericht könnte noch auf die eine oder andere Art verbessert werden punkto Stil, Aufbau, Fragestellung, Länge des Berichts, Auswahl der Auskunftspersonen etc. Und die Grenze zwischen tolerierbaren Schwächen und klaren Fehlleistungen sind fliessend und häufig auch subjektiv. Deshalb sind journalistische Berichte eigentlich immer kritisierbar.
Arbeitssituation
Redaktionen können nicht wirklich harmonisch sein. Auf einer Redaktion sind Sie grundsätzlich zwei entgegengesetzten Kräften ausgesetzt: Auf der einen Seite arbeiten Sie kollegial in einem Team und für ein gemeinsames Produkt. Auf der anderen Seite stehen JournalistInnen immer auch in einem Wettbewerb untereinander, weil jeder und jede der/die Beste sein will. Zudem hat jeder und jede wiederum ihre eigenen Vorlieben und Vorstellungen davon, was guter Journalismus ist. Idealerweise ergänzen sich diese divergierenden Kräfte, aber auf jeden Fall sorgen sie für eine Grundspannung innerhalb der Redaktion. Dies muss Ihnen bewusst sein, und deshalb sollten Sie neben Ihrer Arbeit immer auch ein Augenmerk auf das Ziel des Gesamtprodukts haben!
Stress-Management
Journalismus ist ein stressiger Beruf. Insbesondere, weil Sie mehr unter Zeitdruck stehen als in vielen anderen Berufen, wo eine Arbeit vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch fertiggestellt werden kann. Sie haben immer Ihre fixen Abgabe-Termine, die sich in der Regel nicht verschieben lassen.
Um gesund zu bleiben, sollten Sie während der Arbeit häufig Pausen einlegen (Raucher sind da im Vorteil, da sie ihre Pausen nicht begründen müssen). Empfehlenswert ist nach 90 Minuten Stunden konzentrierter Arbeit eine Pause von etwa 10 Minuten einzulegen. Danach sind Sie wesentlich konzentrierter und leistungsfähiger.
Bewegen Sie sich während der Arbeit immer wieder. Auch geringe körperliche Bewegung ist besser als keine. Tipps, wie den Kopierer/Drucker entfernt von Arbeitsplatz zu halten, sind inzwischen selbstverständlich geworden. Sie werden so automatisch gezwungen, sich zu bewegen. Verzichten Sie auf den Lift und nehmen Sie stattdessen die Treppe.
Schnelle Entspannung bringt ein kurzer Spaziergang um den Block, bei dem Sie alle Glieder bewusst lockern und langsam durchatmen. Laufen erhöht auch die Denkfähigkeit.
Treiben Sie in der Freizeit Sport. Das hält Sie körperlich und mental fit.
Zum Stressmanagement gehört eine optimale Arbeitseinteilung. Wichtigster Grundatz: Lassen Sie sich nicht ablenken!!! Insbesondere Arbeitskolleg/innen sind häufig unnötige Ablenkungen. Sofern deren Anliegen nicht dringend ist und sofort erledigt werden muss, vertrösten Sie sie auf einen späteren Termin.
Die grösste Ablenkungsgefahr ist das Smartphone/Handy. Immer mehr Studien belegen, dass der häufige Blick auf die Nachrichten, welche die elektronischen Geräte melden, die Konzentrationsfähigkeit stark beeinträchtigt. Das gilt natürlich auch für den Blick auf ankommende Emails und Messenger-Dienste. Sie lenken nur ab. Bleiben Sie auf Ihre Arbeit fokussiert.
Untersuchungen haben gezeigt, dass der häufige Blick auf das Handy eine suchtähnliche Wirkung hat. Kurzum: Ständig auf neueste Meldungen der elektronischen Geräte zu achten, ist zwar schön für das Gehirn, aber schlecht für Ihre Arbeit. Ähnliches gilt, wenn Sie parallel mehrere Aufgaben erledigen sollen. Auch hier empfiehlt es sich, eine Arbeit abzuschliessen, bevor Sie mit der nächsten beginnen. Der Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben und Themen ist äusserst energieraubend. Deshalb empfiehlt sich: Richten Sie sich bestimmte Zeiten ein, während denen Sie sich Ihren Emails, und Messages auf dem Smartphone widmen. Ideal dafür eignet sich beispielsweise die Zeit nach der Mittagspause, wenn bei vielen Menschen eine gewisse Müdigkeit einsetzt und sie nicht so leistungsfähig sind. Diese Regeln gelten natürlich nicht, wenn Ihre Aufgabe explizit darin besteht, die eingehenden Nachrichten zu überblicken und sofort zu reagieren. Auch sollten Sie im Arbeitstag soziale Zeiten einplanen, um mit den Kolleg/innen locker zu plaudern. Ideal sind dafür eine Kaffeepause am Morgen und am Nachmittag.
Sie müssen es nicht wie ich machen: Ich verwende zwei Handy-Nummern und trenne so Privates von Beruflichem. Klingelt das berufliche Telefon, nehme ich es sofort entgegen. Handelt es sich jedoch um einen Anruf oder eine Nachricht auf mein privates Smartphone, lass ich das ruhen, bis meine Arbeit dafür Zeit lässt. Und meist ist es dann die Freizeit.
Achten Sie auf gesunde Ernährung. Verstehen Sie sich als Spitzen-Sportler, der gut auf die gute Nahrung achten muss, um Höchstleistungen zu vollbringen.
Bei grossem Stress empfiehlt sich, die Essenspause alleine zu machen, ohne Gespräche, und sich allein auf das Essen zu konzentrieren. Das ist nicht nur entspannend sondern bringt Sie auch auf andere Gedanken.
Sorgen Sie in der Freizeit für Musse-Zeiten. Nichts-Tun ist zwar noch nicht gesellschaftlich akzeptiert, aber ein wesentliches Element, um gesund zu bleiben und auf neue Ideen zu kommen.
Schlafen Sie genügend. Hierzu gibt es verschiedene Ratschläge, wie Sie Ihren Schlaf optimal vorbereiten können.
Pflegen Sie Hobbys, die nicht direkt mit dem Beruf zu tun haben. Als Journalist sind Sie zwar immer ein wenig auf der Suche nach guten Informationen, dennoch gibt es Tätigkeiten, bei denen Sie nicht dauernd an Ihren Beruf denken sollten.
Ausbildung, Status und Karriere
Die Ausbildung im Journalismus bieten meist die Medienhäuser selbst an oder das Medienausbildungs-Zentrum MAZ in Luzern. In den letzten 20 Jahren ist das Ausbildungs-Niveau in Regionalredaktionen markant angestiegen: Viele Regional-Journalisten können heute eine akademische Ausbildung vorweisen. Ohne diesen wissenschaftlichen Hintergrund ist es schwieriger geworden, wenn auch nicht unmöglich, diesen Beruf zu ergreifen. Dennoch gibt es auch für Nicht-Akademiker eine gute Nachricht: In den Redaktionen zählt auch heute vor allem, dass Sie gut berichten können – akademische Titel hin oder her. Wenn es jemand mit Doktor-Abschluss nicht versteht, eine Story schnell zu erfassen, geradlinig zu erzählen und packend zu gestalten, wird ihm der akademische Titel wenig nützen.
Journalisten beginnen Ihre Karriere meist als Freie Mitarbeiter im Lokal-Journalismus, werden nach einiger Zeit in der Lokalredaktion angestellt, und steigen später in eine Fachredaktion auf, von wo sie nur in seltenen Fällen zum Regional-Journalismus zurückkehren. Die Aussichten einer Rückkehr sind vergleichsweise wenig verlockend: Mehr Stress, geringerer Lohn, tieferer Status, kleinere Ereignisse. Obschon unter Medienleuten unbestritten ist, dass die Regionalberichterstattung beim Publikum mehr Beachtung findet als das nationale und internationale Geschehen, wird seltsamerweise dieser grossen Bedeutung des Regionalen wenig Rechnung getragen.
Im Regional-Journalismus sind Generalisten/Allrounder gefragt, und die benötigen gleichzeitig grosses Fachwissen in verschiedenen Disziplinen: Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport. Ob Sie nun über das Bundes-Parlament, Kantons-Parlament, oder Gemeinde-Parlament berichten, die Aufgabe bleibt dieselbe: Sie müssen die Traktanden verstehen, die Debatten einordnen und die Abläufe der Institution kennen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sich die Entscheide der Parlamente je nach Stufe auf mehr oder weniger Menschen auswirken. Es ist auch nicht so, dass ein Geschäft einer Gemeinde einfacher zu verstehen wäre als der eines Bundes-Parlaments (zuweilen kann sogar das Gegenteil eintreten, weil Gemeinden weniger professionell vorgehen als etwa die Bundesverwaltung). Dasselbe gilt für die Wirtschaft: Der Geschäftsbericht eines Kleinunternehmens verlangt Journalisten ebensolchen Sachverstand ab wie derjenige eines multinationalen Unternehmens (ganz abgesehen davon, dass auch Regional-Journalisten zeitweilig über Grossunternehmen berichten müssen). Auch in der Kultur ist derselbe Sachverstand gefragt, ob sie nun über Kleinkunst oder internationale Stars berichten. Ich bin überzeugt, dass es schwieriger ist, einen valablen Massstab zu finden, um ein Laien-Theater oder Hobby-Künstler angemessen zu beurteilen als einen Profi-Künstler.
Gefragt wäre zwar im Regionalen dieselbe Sachkenntnis, doch die Ausbildung der Regional-Journalisten ist meist geringer als diejenige bei Fachredaktionen, und nur aus diesem Grund fallen Regional-Berichte häufig unbedarfter aus. Ich würde es begrüssen, den internen Ausbildungsweg umzukehren: Angehende Journalisten sollten zuerst in den Fachredaktionen ausgebildet werden, damit sie nachher bei regionalen Ereignissen ebenso klug berichten können wie bei nationalen und internationalen. Es sind also Status-Fragen, die meines Erachtens guten Regional-Journalismus verhindern und dessen schlechten Ruf zementieren. Das ist schade und eine verpasste Chance.
Diese Situation führt dazu, dass Regional-Journalisten weniger ernst genommen werden als Fachredaktoren/innen, und häufig ist die Regionalredaktion auch Karriere-Endpunkt langjähriger Regional-Journalisten, weil Fachredaktionen deren Können gering schätzen – selbst wenn sich Regionalredaktoren/innen im Laufe der Zeit ein ebenso grosses Fachwissen angeeignet haben wie Fachredaktoren/innen. Auch langjährige und erfahrene Regionalredaktoren schaffen nur schwer den Aufstieg in eine Fachredaktion – falls sie diesen überhaupt anstreben.
Für wen eignet sich also der heutige Regional-Journalismus? Sie haben es hier mit einer höchst abwechslungsreichen Berufsgattung zu tun, mit grosser Themenvielfalt, bei der Sie ein Leben lang dazulernen können und immer wieder mit ungewöhnliche Situationen konfrontiert werden. Sie geniessen grosse Aufmerksamkeit und die Nähe sowohl zum Publikum als auch zu Institutionen und deren Verantwortlichen.
Deshalb mein Tipp, den schon der Journalist der englischen Tageszeitung „Guardian“ George Monbiot auf seiner Homepage gegeben hat: Wollen Sie für eine Fachredaktion oder nur in einem bestimmten Themengebiet arbeiten, und das Regionale interessiert Sie gar nicht, schauen Sie zu, ob sich ein Weg direkt zur Fachredaktion oder dem angestrebten Medium ergibt. Alles andere wäre Zeitverschwendung.